Neue Wege für junge Kunst

Neue Wege für junge Kunst

Seit 2008 bildet der Kunstverein Grünspan eine Plattform für zeitgenössische Kunst und Kultur in Mühlboden/Feffernitz. Mittels Open Calls an Kunstuniversitäten werden seit fünf Jahren speziell junge Künstler:innen eingeladen, ihre Werke im ländlichen Raum zu präsentieren.

Könnten sie sprechen, zu erzählen hätten sie viel, die Gemäuer des Gut Sachsenhof. 1890 wurde der einstige bäuerliche Erbhof in Mühlboden/Feffernitz von Baron Arthur von Gersheim († 1937) erworben. Nach und nach wurde er behutsam vergrößert und hauptsächlich für die Rinderhaltung genutzt. Als diese aufgegeben wurde, zog zunächst ein Schuhmarkt in das Untergeschoss des Stalls ein, bevor der heutige Eigentümer Jürgen List – ein Enkel von Baron Arthur von Gersheim – auf den gebürtigen Kärntner Künstler Norbert Kaltenhofer traf, der auf der Suche nach einem geeigneten Atelier für seine Arbeiten war. So entstand nach und nach aus dem ehemaligen Stallgebäude ein Raum für die zeitgenössische Kunstszene. 2008 wurde der Kunstverein Grünspan gegründet. „Diese Initiative bezieht die Bevölkerung des Kärntner Drautales in die aktuelle künstlerische Auseinandersetzung auf überregionalem Niveau ein und vernetzt Künstler:innen sowie Kulturinstitutionen in und um Kärnten und Österreich“, berichtet Obfrau Margot Fassler. Ihr und Norbert Kaltenhofer ist es zu verdanken, dass seit dem Gründungsjahr namhafte, internationale Kunstgrößen mit ihren Werken den Weg ins Drautal gefunden haben.

Die beiden haben sich während ihrer Tätigkeiten in der Kunsthalle Krems in Niederösterreich kennengelernt. Deren Gründungsdirektor Wolfgang Denk war maßgeblich daran beteiligt, Kaltenhofer zu inspirieren, Kunst im ländlichen Raum zugänglich zu machen. „Grünspan soll Räume öffnen und neue Perspektiven einführen. Zeitgenössische Kunst am Land auf hohem Niveau zu zeigen und dafür ein neues Publikum zu gewinnen – das ist unsere Vision“, erklärt Kaltenhofer. „Es ist in der Tat bemerkenswert, dass an einem Ort, der so ländlich geprägt ist, Kunstproduktionen mit einem intellektuellen Anspruch entstehen, wie man sie normalerweise in einer Stadt erwarten würde. Dies hat keineswegs damit zu tun, dass die Menschen auf dem Land weniger Kunstverständnis oder -erfahrung haben – ganz im Gegenteil. Sie sind außerordentlich kritisch, setzen sich intensiv mit den Werken auseinander und verfügen über ein beeindruckendes Maß an Hintergrundwissen“, ergänzt Fassler.

2024 wurde unter anderem der Sonderausstellung „Susanne Wenger und Wolfgang Denk – ÜberLebensWerke.“ gewidmet: „Die Grazer Künstlerin Susanne Wenger war für den Künstler und Ausstellungsmacher Wolfgang Denk ein ebenso wichtiger Meilenstein wie Denk für Norbert Kaltenhofer. Bei der Schaffung seines Ateliers 1997 und der Kunstplattform Grünspan 2008 ist Wolfgang Denk daher immer noch unmittelbar wirksam in jenem metaphysischen Sinn, den er als Anspruch an das eigene künstlerische Schaffen sein Leben lang in sich trug. Um zu verstehen, warum es die Kunstplattform Grünspan in dieser Form gibt, bedarf es der Erwähnung dieser zweier Namen“, erklärt Fassler. „Mit dieser Ausstellung fand ein großer Kreis im Sinne der Kunst seinen vollendeten Abschluss.“ Doch nicht nur Wenger und Denk stellten hier aus, vergangene Themenschwerpunkte waren etwa 2017 unter dem Titel „Ungewöhnliche künstlerische Biografien des 20./21. Jahrhunderts und die Einflüsse der Moderne“. „Im Rahmen dieses Programms wurde der Versuch gestartet, die Geschichte der Malerin Irmentrud List-Gersheim, 1904 am Sachsenhof geboren und Mutter des heutigen Eigentümers Jürgen List, zu rekonstruieren und damit zu zeigen, mit welchen Widerständen die ersten professionellen Malerinnen zu Beginn des 20igsten Jahrhunderts umgehen mussten“, erläutert Fassler.

Im kommenden Jahr werden zwei Gruppenausstellungen sowie ein begleitendes Literaturprogramm zu erleben sein. „Vor zwei Jahren veranstaltete das Haus Grünspan einen zweiten „Open Call“, der sich an die Absolvent:innenverbände der Akademie der bildenden Künste, der Universität für angewandte Kunst Wien, der Kunstuniversität Linz und der Universität Mozarteum Salzburg richtete. Dieser Aufruf wandte sich an junge Künstler:innen mit abgeschlossener Kunstausbildung, die sich in ihrer künstlerischen Praxis mit Zukunftsthemen auseinandersetzen und Interesse an einer Ausstellung im Haus Grünspan haben. Der thematische Ausgangspunkt war „CLOSE(D) FUTURE“, ein Leitmotiv des Kunst- und Kulturjahres 2022 des Landes Kärnten. Die vier Fördergemeinden von Grünspan – Paternion, Ferndorf, Stockenboi und Weißenstein – sicherten durch positive Beschlüsse die Basissubventionierung der Förderperiode von 2023 bis 2025. Die eingereichten Kunstwerke werden in Form von Gruppenausstellungen präsentiert. Die beiden für 2025 geplanten Ausstellungen und das begleitende Literaturprogramm tragen den Titel „it’s the energy-“.

„it‘s the energy-“

Wir leben in einer Welt, in der jede/r über Qualität spricht – qualitätvolle Kunst – was soll das sein?

So viele Menschen auf dieser Welt können es sich nicht erlauben,

über Qualität nachzudenken, sie müssen zusehen, zu überleben.

Qualität ist ein Begriff der „Extraklasse“, zudem kein interessanter.

Weshalb? Es geht nur um Geschmack.

Es ist die Energie.

Es kann schlechte Energie sein, jedoch es bleibt Energie.

Dieser Gedanke, aus dem englischen von Margot Fassler übersetzt, entnommen einem Essay des Schweizer Installationskünstlers Thomas Hirschhorn und aufgegriffen im Portfolio „Böse Blumen“ von Eva Kadlec, bildet den thematischen Kern. Die erste Ausstellung „Mohn – Blumen“, bringt Werke von Ina Aloisia Ebenberger, Anne Glassner, Eve Kadlec und Lavinia Lanner zusammen und wird durch einen Gastbeitrag von Nina Burnus bereichert. Die zweite Ausstellung, „Wendepunkt – Krisis“, zeigt eindrucksvolle Arbeiten von Anatoliy Babiychuk, dem Duo Kirsten Bochert/Lisa Bolyos, Jöran Möller, Bianca Tschaikner und Iris Weigel. Den Abschluss bildet die Sprach_Klang_Performance „An goldenen Fäden“, bei der Autorin Margit Werner-Pietsch gemeinsam mit der Schauspielerin und Sprecherin Ruth Geiersberger ein fesselndes Zusammenspiel präsentiert.

Geöffnet hat die Galerie in den Sommermonaten (Mai – Oktober) jeweils Freitag bis Sonntag von 16 bis 19 Uhr, die Zielgruppen umfassen die regionale Bevölkerung sowie Kinder ab dem Kindergartenalter, Urlaubsgäste, Kunst- und Kulturschaffende sowie Institutionen aus dem Umfeld. Zudem richtet sich das Programm an ein Fachpublikum mit besonderem Interesse an zeitgenössischer Kunst und kulturellen Veranstaltungen. „Kunst ist immer ein soziales Konstrukt“, wie Margot Fassler unterstreicht. „Diese Tatsache sollte man nicht unterschätzen. Jede Vernissage, jede Form der entstehenden Gemeinschaft ist Ausdruck dieses Konstrukts – sie kann berauschend, aber auch enttäuschend sein. Das ist die Natur der Sache. Menschen kommen zusammen, oft Fremde, die manchmal hervorragend miteinander feiern und manchmal nicht – auch das ist Teil des Erlebnisses. Man muss bereit sein, sich auf diese Ungewissheit einzulassen und sich davon lösen, eine bestimmte Befriedigung oder Quote erfüllen zu wollen. Kunst erfordert Offenheit für alle Eventualitäten. Man kann den Verlauf ein Stück weit lenken, aber niemals vollständig – und das sollte man auch nicht wollen.“

www.gruenspan.org

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